Als Agentur freuen wir uns, wenn sich die Qualität unserer Arbeit herumspricht und wir zu Projektausschreibungen eingeladen werden. Natürlich erfordert jede Angebotslegung eine intensive Beschäftigung mit dem Kunden, dem Produkt, den Leistungen und dem Auftraggeber im Allgemeinen. Wir setzen uns professionell und intensiv mit Anfragen auseinander und erwarten eben diese Ernsthaftigkeit auch von unseren Partnern und potenziellen Kunden.
Nicht selten gehen Anfragen aber weit darüber hinaus und es sind umfangreiche Kreativ- und Konzeptionsleistungen in Rahmen eines mehrstufigen und oft monatelangen Prozesses gefragt. Gerne greifen Auftraggeber deshalb auf einen Pitch zurück, d.h. es werden mehrere Agenturen eingeladen, Konzepte, Designideen und Strategien zu präsentieren. So weit, so üblich und legitim.
Wer allerdings mehr vergleichen möchte, umfangreiche und detaillierte Entwürfe einfordert, muss auch mit entsprechendem Aufwand seitens der Auftragnehmer rechnen und Abschlagshonorare einkalkulieren.
Genau das hat sich aber anscheinend noch nicht überall herumgesprochen. Eine aktuelle Studie besagt, dass 2014 zwei Drittel der Auftraggeber nicht andenken, ein Pitch-Honorar zu bezahlen. Wohlgemerkt bei steigenden Qualitätsansprüchen an die abgelieferte (kostenlose) Arbeit. Gerne greifen manche Unternehmen deshalb immer noch auf den vermeintlich verlockenden Gratis-Pitch zurück.
Doch was bekommt man als Auftraggeber eigentlich, wenn man Leistung ohne Gegenleistung verlangt, wer bezahlt schlussendlich und warum wir, die Agenturen und Kreativen, an dieser Unsitte eigentlich selber schuld sind. Ein Erklärungsversuch.
Wie viel kostet ein Pitch?
Gehen wir von einem klassischen Webprojekt mittlerer Größenordnung aus. Überliefert werden Briefings mit Anforderungen, Zielsetzungen, Zielgruppenanalyse, Personas und / oder User stories. Im Idealfall. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Gewünscht wird eine Kalkulation, Designvorschläge, eine Strategie sowie ein Navigationskonzept und die Informationsarchitektur.
Das bedeutet, dass Konzepter, Controller, Designer und Developer gemeinsam an der Erstellung und Umsetzung arbeiten. Es wird recherchiert, analysiert, konzipiert und im Anschluss die Ergebnisse in Meetings besprochen, bevor die Unterlagen aufbereitet und Entwürfe vorbereitet werden.
Bei einem durchschnittlichen Agenturstundensatz zwischen EUR 80 und EUR 120 und umgerechnet 50 – 100 Arbeitsstunden (je nach Komplexitätsgrad) entspricht dies (theoretisch) einem monetären Aufwand von EUR 4.000 bis EUR 12.000. Eine nicht unbeträchtliche Summe.
Am Ende bezahlt ein Kunde
Jeder Agentur-Pitch schlägt sich also in der Kalkulation nieder. Ja, so isses. Nimmt eine Agentur im Jahr also an fünf bis zehn Gratis-Pitches teil, belaufen sich die Aufwände schnell im höheren fünfstelligen Bereich. Auch wenn ein gewisser Prozentsatz dafür einkalkuliert wurde, können sich dies nur wenige Dienstleister auf lange Sicht erlauben. Und die traurige Wahrheit lautet: Wird der Aufwand nicht vergütet, bezahlen mittelfristig laufende Kunden. Diese Vorgehensweise ist unfair für bestehende Kunden und schadet dem partnerschaftlichen Vertrauensverhältnis zwischen Agentur und Auftraggeber an sich.
Reputationsstärkung und Lob
Doch was sind die Beweggründe dahinter, warum lassen sich Kreative auf dieses Spiel ein? Hand aufs Herz: Wer hat nicht zumindest bereits einmal kostenlos seine Leistungen angeboten, weil die Hoffnung auf Folgeprojekte, die Stärkung der Reputation oder das unternehmerische Ego auf Höhenflug unterwegs waren? Das kennt jeder! Und das wissen auch Auftraggeber zu nutzen.
Gewunken wird so ziemlich allem Manchmal mit einer Art “Preisgeld”, wenn man es unter die Top 3 schafft. Oder es werden Sachpreise angeboten. Süßigkeiten, Knabbereien oder Jahresvorräte an Getränken, alles schon erlebt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein interessantes Angebot. Not.
Den Gipfel der Absurditäten bildet dann noch der Reputations-Schmäh. Das klingt in etwa so: “Es ist eine tolle Gelegenheit für Sie und Ihr Unternehmen sich einem breiten Publikum vorzustellen”. Verlockend. Aus Kundensicht sollte man sich die dann aber schon die Frage stellen, ob man sich ernsthaft Experten an Bord holen möchte, die ihre Leistungen kostenlos anbieten und den Wert ihrer Arbeit selbst nicht erkennen?
Die Milchmädchenrechnung – Der nächste große Auftrag winkt schon
Und dann gibt es dann ja noch die versprochenen Folgeprojekte. Aber der Gedanke ist so simpel wie falsch und lockt vor allem kleine Agenturen immer wieder in die Falle: „Wenn wir nur (kostenlos) zeigen, wie gut wir sind, wird sich das auch herumsprechen und wir können mit größeren Aufträge und lukrativeren Etats rechnen.“ Die Realität ist allerdings ernüchternd: Gratis-Arbeit spricht sich nämlich tatsächlich herum und ruft vor allem Kunden auf den Plan, die oftmals ohnehin nicht bereit sind, reale Aufwände zu begleichen.
Schuld sind nicht (nur) die Auftraggeber
Schuld an der Misere sind nicht die Auftraggeber, hier ist branchenintere Selbstreflexion gefragt. Betrachten wir es einmal quer über die gesamte Dienstleistungsbranche hinweg. Kaum eine Branche erlaubt es kostenlose Leistungen zu beziehen, die eventuell – sofern das Ergebnis gefällt – zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt werden.
Wer in der Kreativbranche arbeitet, weiß, wieviel Aufwand die Gestaltung eines Logos, einer Kampagne, eines Slogans oder einer Website darstellt. Aber wir können nicht verlangen, dass sich darüber auch Auftraggeber im Klaren sind. Es liegt in unserer Verantwortung transparent zu arbeiten und somit aufzuzeigen, dass sich ein Claim nicht in fünf Minuten entwickelt, Visitenkarten nicht in der Mittagspause erstellt werden, das Interaktionsdesign für eine Website nicht nur einen Nachmittag lang dauert und ein Webshop nicht in ein paar Stunden umgesetzt wird.
Wir lieben unsere Arbeit, setzen unsere Projekte mit Leidenschaft um und verzichten auf Lösungen von der Stange. Dahinter stehen Kreativprozesse, die sich über Monate erstrecken und die interdisziplinär entstehen. Der Aufwand setzt sich nicht nur nach Stunden zusammen, sondern hängt auch von der Erfahrung und dem Know-How des Dienstleisters ab.
Um mit den Worten der Designerin Paula Scher abzuschließen: ! It took me a few seconds to draw it, but it took me 34 years to learn how to draw it in a few seconds.