In meinem letzten Beitrag habe ich mich mit den zwei – endlich auch in Österreich ankommenden – Ansätzen Content Marketing und Inbound Marketing auseinandergesetzt. Den Kommentaren und Shares auf den Artikel nach zu urteilen, gewinnt das Thema zunehmend an Relevanz, wenn auch in kleinen Schritten. Ein Grund mehr also, die in den Raum gestellten Themen noch etwas genauer zu durchleuchten. Diesmal soll es konkret um Inbound Marketing gehen. Was ist es genau? Welche Elemente spielen eine zentrale Rolle und wie sieht der Inbound-Marketing-Zyklus Schritt für Schritt aus?

Was genau heißt Inbound Marketing?

Als Gegenteil von ‘outbound’, verstehen wir unter ‘inbound’ im Grunde alle Marketingmaßnahmen, die „below the line“ erfolgen. Dazu zählen alle nicht-klassischen analogen, wie digitalen, Werbemaßnahmen. Verstehen wir Inbound Marketing allerdings als einen reinen Online-Ansatz, dann hält Hubspot, als eine der stärksten und prägendsten Marketing-Automation-Softwarelösungen, die Deutungshoheit.

Laut der Hubspot-Webseite geht es bei diesem Ansatz primär um die Erstellung relevanter Inhalte, mit denen Aufmerksamkeit auf das Unternehmen gelenkt und Kunden genau zu jenen Produkten gezogen werden, die sie wirklich interessieren. Die wichtigsten Themengebiete im Inbound-Marketing-Verständnis sind

  • die Content-Erstellung,
  • das Lifecycle-Marketing,
  • die Personalisierung von Inhalten und Botschaften,
  • der Multi-Channel-Approach und
  • das Ineinandergreifen und Automatisieren von Abläufen.

All diese Punkte und die daraus resultierenden Unternehmensziele werden durch bestimmte Instrumente verfolgt, die je nach Stadium der Customer Journey unterschiedlich ausgeprägt sind. Zu diesen Instrumenten zählen:

  • Bloggen (als Basis)
  • Erstellung von anderen, relevanten Content-Formaten, wie Infografiken, E-Books, Tabellen, Videos, Audios, Bildern usw.
  • Online-PR und Blogger Relations
  • Social-Media- und digitales Empfehlungsmarketing
  • Suchmaschinenoptimierung (SEO) und Suchmaschinenwerbung (SEA)
  • Webseitenoptimierung und besonders der Einsatz von Landingpages
  • E-Mail-Marketing
  • Management von Kundendaten (CRM)
  • Analysen und statistische Auswertungen (hauptsächlich Web-Analytics)

Das Arbeitsfeld des Inbound Marketing ist daher sehr vielschichtig und lässt sich kaum in einem einzigen Satz erklären. Jedoch ist genau das auch eine besondere Stärke: Es handelt sich dabei erstens, um eine neue Marketing-Einstellung und zweitens, um ein Bündel von Tools, die an die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens – aber auch der Zielgruppe – angepasst werden müssen. Ich sage hier ganz bewusst nicht „können“, denn erst eine Individualisierung des Ansatzes, wird den gewünschten Erfolg für das Unternehmen bringen.

Wie funktioniert Inbound Marketing?

Jetzt, wo wir die wichtigsten Elemente des Inbound-Marketing-Ansatzes kennen, können wir diese auch in eine logische und gewinnbringende Abfolge setzen und somit auch die Frage beantworten, wie Inbound Marketing tatsächlich funktioniert. Das Basisprinzip ist sehr einfach und lässt sich in dieser Hubspot-Grafik gut ablesen.

Inbound Marketing Lifecycle ©Hubspot

SCHRITT 1: SUCHENDE WERDEN ZU BESUCHERN

In einer Zeit der Content-Flut ist eine der größten Herausforderungen im Online-Marketing mit Sicherheit, die Aufmerksamkeit seiner Zielgruppe an sich zu ziehen. Dass klassische Werbeeinschaltungen dabei einen eher geringen Erfolg zeigen, ist schon länger bekannt. Das liegt aber nicht nur an der allgemein proklamierten “Werbeblindheit” bzw. “Werbemüdigkeit”, sonder auch sehr stark daran, dass Menschen im Social Web einfach nicht nach Produkten oder Marken suchen. Sie googeln nach Problemen und wollen eine darauf abgestimmte Antwort. Sie suchen nach Lösungen.

Wenn ich also, um ein Beispiel heranzuziehen, wieder nach einer Lösung für meine chronischen Rückenschmerzen suche, werde ich in etwa folgendes Long-Tail-Keyword (Suchphrase) in die Suchleiste meiner präferierten Suchmaschine eintippen: “Was hilft bei chronischen Rückenschmerzen?”

Daraufhin wird mir eine Fülle an Ergebnissen aufgelistet, wobei nicht alle relevant für mich sind. Schmerzmittel, Wärmepflaster, Sportstudios, Fitnessguides, ergonomische Büroausstattungen, Ärztezentren für physikalische Medizin und viele andere mehr, werben um meine Aufmerksamkeit. Wer hier nicht auf der ersten Seite aufscheint, wird wahrscheinlich nie auch nur einen Cent von mir in seiner Kasse klingeln hören. Nicht, weil er mir nicht helfen könnte, sondern, weil ich nicht weiß, dass es seine Lösung überhaupt gibt.

Der erste Schritt besteht also darin, unserer Zielgruppe das zu bieten, was sie auch tatsächlich sucht: Antworten! Unser Ziel muss es sein aus suchenden Usern unsere Webseitenbesucher zu machen.

Um das zu erreichen, stehen uns folgende Instrumente zur Auswahl:

  • Bloggen: Das ist der Anfang aller Inbound-Aktivitäten, denn nur, wer seiner Zielgruppe Online-Inhalte anbietet, kann auch von den Usern gefunden werden.
  • SEO: Um tatsächlich auf der ersten Seite der Suchmaschine zu landen, müssen Onlinetexte für diese auch optimiert werden. Dabei geht der Trend ganz klar weg von Keyword-Stuffing hin zu “user intent” – was sucht der User wirklich?
  • Soziale Netzwerke: Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, gefunden zu werden, sollten wir auch auf soziale Netzwerke setzen. So streuen wir unsere hochwertig erstellten Inhalte und erreichen eine größere Dialoggruppe.
  • Webseitenoptimierung: Wenn der User schließlich auf der Unternehmensseite gelandet ist, macht eine klare, strukturierte und intuitive Webseite oft den entscheidenden Unterschied. Findet der User das, wonach er gesucht hat? Gibt es weiterführende Informationen? Wie hoch ist die Absprungrate, wie lang die Verweildauer? All das und noch viele weitere Fragen und Punkte, sind hier zu klären und gegebenenfalls zu optimieren.

SCHRITT 2: BESUCHER WERDEN ZU INTERESSENTEN

Auf unserer Unternehmensseite gelandet, ist es wichtig den Besucher zu halten und mit ihm in Interaktion zu treten. Das eigentliche Ziel ist es, einen Kontakt zu dem potenziellen Kunden zu erstellen, d.h. zumindest an die E-Mail-Adresse des Webseitenbesuchers zu gelangen.

Natürlich sind User im Umgang mit ihren Daten, nach der NSA-Affaire oder dem Kippen des Safe-Harbor-Abkommens, sehr viel kritischer geworden und geben persönliche Informationen nicht “einfach so” preis. Als Gegenleistung für seine Daten bieten sich im Inbound Marketing unterschiedliche Content-Formate an, wie E-Books, Whitepapers oder Checklisten. Wichtig ist, dass das angebotene Goodie zu den Inhalten, die gerade konsumiert wurden, passt.

Wenn ich demnach, um bei meinem obigen Beispiel zu bleiben, auf einen Blogbeitrag des Büroausstatters mit ergonomischen Stühlen klicke und in diesem Beitrag Tipps zu einer besseren Haltung beim Arbeiten am Schreibtisch erhalte, dann wäre z.B. ein Worksheet mit dem Titel “Checkliste zur gesunden Computerarbeit” ein relevantes Zusatzangebot. Hat mir der gelesene Artikel gefallen und habe ich einen tatsächlichen Nutzen daraus gezogen, dann stehen die Chancen gut, dass ich mir diese Checkliste im Gegenzug für meine E-Mail-Adresse tatsächlich herunterlade.

Am Ende des zweiten Schrittes, wissen wir über unseren potenziellen Kunden, dass er so viel Vertrauen in uns hat, dass er es für in Ordnung hält, regelmäßig (z.B. in Form eines Newsletters) von uns kontaktiert zu werden. Wir wissen auch, über welchen Kanal und über welches Thema dieser User auf unsere Seite gestoßen ist. Wir können also eine grobe Buyer-Persona-Silhouette erkennen.

Welche Tools stehen uns in diesem Schritt zur Verfügung?

  • Call-to-Actions: Das sind Handlungsaufforderungen, meist in Form eines Buttons, die unserem Besucher sagen, was er als nächstes tun soll, z.B. “Checkliste herunterladen”.
  • Landingpages: Das ist jene Seite, auf die der Webseitenbesucher nach dem Anklicken des Call-to-Action gelangt. Hier wird also die Handlungsaufforderung umgesetzt. Der User gibt seine Daten bekannt und wird somit offiziell zum “Lead”, einem Kundenkontakt.
  • CRM: Ab diesem Punkt ist eine detaillierte und kategorisierte Kundendatenbank einzusetzen. Wer ist der potenzielle Kunde? Woher kommt er und wofür interessiert er sich? Was hat er sich heruntergeladen? Welche Qualität hat die Interaktion? Wie oft war er auf welchen Seiten des Webauftritts und wie lange hat er sich dort aufgehalten? All diese Informationen lassen sich erfassen und liefern wichtige Insights zum Nutzerverhalten.

SCHRITT 3: LEADS WERDEN ZU KUNDEN

Die Zeit, die es braucht um einen Interessenten zu einem tatsächlichen Kunden zu machen, kann sich durchaus in die Länge ziehen. Je nach Branche und Produkt sollten wir uns langsam herantasten, um den grundsätzlich positiv gestimmten Lead nicht durch agressive Maßnahmen zu vergraulen. Hier gibt es in der Tat keinen standardisierten Zugang. Der einizge Weg heißt: ausprobieren, messen, optimieren.

Dieser dritte Schritt ist der einzige im gesamten Inbound-Marketing-Zyklus, der Push-Maßnahmen zur Unterstützung heranzieht. Werbung wird von nun an einerseits wieder aktiv vom User wahrgenommen und andererseits nicht mehr als störend empfunden. Retargeting kommt hier genauso zum Einsatz, wie personalisierte Newsletter-Angebote oder Anrufe aus dem Vertrieb, aber sicherlich nicht alles auf einmal, sondern portioniert und individualisiert.

Es wäre für mich daher durchaus denkbar, dass ich nach einigen Tagen eine E-Mail in meinem Postfach finde, die mir ein Angebot für den hauseigenen, ergonomischen Bestseller-Stuhl unterbreitet. Warum eigentlich auch nicht? Ich sitze viele Stunden am Tag, habe laufend Rückemprobleme und mittlerweile weiß ich, dass auch die passende Ausstattung und ein richtiges Sitzen, Haltungsschäden und Schmerzen entgegenwirken kann. Ich kann, muss aber nicht, auf das Angebot reagieren. Es liegt nun ganz allein am Agieren des Vetriebsteams und der Qualität des CRM-Tools, ob und wie unsere “Beziehung” weitergeht.

Um Interessenten in Kunden zu verwandeln, stehen uns im Inbound Marketing folgende Instrumente zur Verfügung:

  • CRM: Hier noch viel mehr als im vorherigen Schritt, ist eine ausdifferenzierte Kundendatenbank von großer Bedeutung.
  • Marketing-Automatisierung: Um ein Maximum aus unseren bisherigen Bemühungen herauszuholen, ist eine Automatisierung von Abläufen überaus hilfreich. So werden E-Mail, Kundendatenbank, Angebote, Lead-Scoring (also die Wertung, wie “reif” ein Interessent für Unternehmensangbote ist) gekoppelt und die sinnvollsten Schritte in Gang gesetzt.
  • Interne Analysen: Welche Inhalte bringen den meisten Traffic, welche die meisten Leads? Wie lange dauert es durchschnittlich vom ersten zum dritten Schritt? Woher kommen die meisten Besucher? Lassen sich die bestehenden Buyer Personas durch bestimmte Insights verfeinern? Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb und entsprechen die Automatisierungs-Schritte den tatsächlichen CRM-Einträgen bzw. Kundenbedürfnissen?

SCHRITT 4: KUNDEN WERDEN ZU FANS

Nach einem abgeschlossenen Kauf, lassen wir unsere Kunden im Inbound-Marketing nicht in Vergessenheit geraten, ganz im Gegenteil. Inbound ist ein ganzheitlicher und nachhaltiger Marketingansatz, der eine zyklische Bewegung verfolgt. Sowohl Webseitenbesucher, als auch Interessenten und bestehende Kunden bleiben in einem aktiven Unternehmensdialog, der durch relevanten Content vorangetrieben wird.

Konkret heißt das, dass wir die Bindung zu unseren Bestandskunden durch angepasste (dank unserer hervorragenden CRM-Datenbank) Inhalte stärken und weiterführende Angebote, sofern der Kunde dazu bereit ist (s.o. Lead-Scoring), liefern. Wir wollen unseren Kunden ein umfangreiches und zufriedenstellendes Verkaufserlebnis bieten, so dass sie zu Fans unserer Marke und überzeugten Fürsprechern unseres Unternehmens werden. Gelingt uns ein authentisches Empfehlungsmarketing seitens unserer Kunden, können wir durchaus mit Stolz sagen, das Ziel des Inbound Marketing erreicht zu haben.

Das Sales-Team des ergonomischen Büromöbelausstatters ist erfolgreich, die Qualität und der Nutzen des höhenverstellbaren und individuell anpassbaren Stuhls überzeugen mich. Das Angebot, das mir schließlich gemacht wird, ist nur der letzte “Stoß” hin zu meiner Kaufentscheidung. Das persönliche Gespräch mit den Call-Center-Mitarbeiter, an den ich noch meine letzten Detailfragen richte, ist angenehm, nicht werblich und ohne Zwang. Ich habe wirklich nicht das Gefühl, dass mir hier krampfhaft etwas verkauft wird. Auch nach Kaufabschluss bekomme ich regelmäßig Tipps rund um das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz. Alles in allem ein Unternehmen, dass ich ohne Bedenken meiner besten Freundin empfehlen kann!

Um begeisterte Fürsprecher zu gewinnen, bieten sich diese Tools an:

  • Social-Media: Ein Kundendienst in Echtzeit sowie Tipps und hilfreicher Micro-Content auf jenen Plattformen, wo sich unsere Zielgruppe ohnehin aufhält, stärkt die Kundenbindung.
  • Smarte Angebote: Personalisierte Angebote und Call-to-Actions sind nicht nur hilfreich, sondern ein Muss.
  • Automatisiertes Marketing: Automatische Abläufe auf Basis einer soliden Kundendatenbank erleichtern uns das Leben als Marketer. Das heißt aber nicht, dass dieser Automatismus beim Kunden negativ ankommen darf. Niemand will eine Nummer sein!

Inbound Marketing Fazit

Inbound Marketing ist ein vielschichtiger und nachhaltiger Pull-Marketing-Ansatz. Seine Stärken sind seine Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, das auf Langfristigkeit angelegte Wirkprinzip und die personalisierte Zielgruppenansprache. Dabei ist Inbound Marketing ein durchaus arbeitsintensiver Zugang, der gleichzeitig ressourcenschonend wirkt. Inbound Marketing ist auf alle Fälle ein Ansatz, der bisherige Zugänge auf den Kopf stellt. Inbound ist ein Mindset. Bleibt nur die Frage: Bist du schon bereit dafür?