Wir können uns wohl noch alle gut an 2018 erinnern, als täglich angstschürende Berichte und Prophezeiungen in den Medien die Runde machten, jeder aufgescheucht Workshops buchte und eine Person im Unternehmen, meist semi-freiwillig, zum Datenschutzbeauftragten gekürt wurde. All das, um ja nicht eine Strafe hinsichtlich der Weitergabe oder unrechtmäßiger Verwendung von Personendaten zu riskieren. Aber sind wir uns einmal ehrlich. Ist denn ein moderater Schutz der Privatsphäre nicht eigentlich etwas Sinnvolles? Ein Jahr später ist vom ganzen Trubel nur noch wenig über geblieben.
Und was noch viel wichtiger ist, die Strafen sind auch ausgeblieben, ebenso wie die überbordenden Aufwände für Auskunftsersuchen. Wenngleich man zugeben muss, dass Unternehmen, die leichtsinnig weiter Daten erheben oder weitergeben, durchaus mit hohen Aufwänden für Auskünfte konfrontiert werden. Oft erfolgt der indirekte Aufruf dazu auch durch die sozialen Medien. Selbst Schuld, kein Mitleid würde ich hier sagen.
Nun bahnt sich langsam am Horizont das nächste Thema an – die Barrierefreiheit. Wer mit dem Thema Web zu tun hat, dem dürfte das Web-Zugänglichkeits-Gesetz bereits untergekommen sein. Eigentlich regelt es nichts anderes als dass es die Europäische Gesetzgebung in nationales Recht umwandelt. Öffentliche Einrichtungen sowie staatsnahe Unternehmen müssen dafür Sorge tragen, das digitale Informationsangebot (mit Ausnahmen) barrierefrei zu gestalten und so allen Personen gleichermaßen den Zugang zu Informationen zu gewährleisten. Wichtiger noch als die initiale Barrierefreiheit sind jedoch die weiteren Eckpunkte des Gesetzes:
Die Websitebetreiber haben dafür Sorge zu tragen, dass – eine fortwährende Evaluierung des Angebots erfolgt, um die Barrierefreiheit aufrechtzuerhalten. – auf der Website einfach erreichbar (über Startseite) ein Statement zur Barrierefreiheit veröffentlicht wird. – Beschwerden von Besuchern entgegengenommen werden, geprüft sowie bei Vorliegen von Mängeln Maßnahmen zu deren Beseitigung gesetzt werden. – Schulungsprogramme oder Trainings für Mitarbeiter koordiniert werden, um das Wissen zur Barrierefreiheit sowie allgemein eine Sensibilisierung zu diesem Thema zu erzielen.
Das WZG könnte auch als fehlendes Puzzlestück betrachtet werden, denn schließlich gibt es ja das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz, sowie das Bundesvergabegesetz. Mit dem WZG wird aber nunmehr klar und wohl unmissverständlich definiert, was zu tun ist.
Nun werden vermutlich einige von euch sich immer noch Fragen, was das WZG mit der DSGVO zu tun hat. Grundsätzlich liegen diese Themen weit auseinander und auch der Geltungsraum könnte verschiedener nicht sein. Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch durch den European Disability Act eine Ausweitung auf Privatunternehmen folgen wird. Nicht schlecht möge man meinen. Richtig, aber mit einem schalen Beigeschmack. Denn schon jetzt schießen die selbst ernannten Accessibility Experts nur so aus dem Boden und versuchen mit etwas Angst leichtes Geld zu machen. Da kann es dann schon einmal vorkommen, dass für die barrierefreie Gestaltung eines digitalen Imagefolders mit 15 Seiten knapp EUR 20.000 verlangt werden. Und genau hier gibt es dann die Parallelen zur DSGVO, denn diese Beträge sind einfach nur Abzocke.
Digitale Barrierefreiheit – quo vadis?
Grundsätzlich stellt die digitale Barrierefreiheit natürlich einen Mehraufwand dar, wenngleich einen verschwindend geringen. Denn von Anfang an bedacht, hat Web Accessibility nur etwas mit der Erfahrung/Kreativität von Designern und dem Qualitätsanspruch von Entwicklern zu tun. Über die letzten 15 Jahre veränderten sich Webtechnologien immer schneller und auch durch die Ansprüche der Unternehmen in Bezug auf Werbung war es notwendig, Microsites etc. immer schneller aus dem Boden zu stampfen. Dabei lag der Fokus großteils nur auf dem Visuellen. Inzwischen gibt es aber langsam wieder eine Trendwende, denn inzwischen wurde verstanden, dass eine barrierefreie Website nicht nur Menschen mit Behinderung hilft, sondern auch dem Unternehmen signifikante Vorteile bringt. Durch die saubere Semantik, korrekt ausgezeichnete Links, Alt-Texte, responsive Behavior und viele weitere Maßnahmen verbessert sich auch die SEO Performance. Und durch eine intuitiv zu bedienende Website mit einem logischen Aufbau und vorhersehbaren Abläufen wird zudem auch die Conversionrate gesteigert.
Ich kann mich noch gut an unzählige Meetings mit Kunden bzw. Leads erinnern, bei denen eine barrierefreie Umsetzung abgelehnt wurde, denn diese Zielgruppe sei uninteressant. Diesen Satz muss man auch erstmal sacken lassen. Denn schließlich leben in Österreich rund 15% der Bevölkerung mit einer dauerhaften Behinderung. Inzwischen zeichnet sich auch hier schon langsam ein anderes Bild ab. SEO, Conversions und CSR sind wesentlich wichtiger für Unternehmen geworden und so ist auch die Nachfrage deutlich gestiegen.
Grundsätzlich kann ich nur jedem Verantwortlichen empfehlen, geplante Projekte barrierefrei zu gestalten. Denn so wie auch jetzt beim WZG wird es irgendwann Stichtage für Privatunternehmen geben. Eine nachträgliche Adaptierung von Websites ist mit teilweise enormen Kosten verknüpft. Und diese gilt es zu vermeiden. Seinen wir uns einmal ehrlich. Wer ist nicht frustriert, wenn man einmal einen Slider, ein Formular oder sonstiges auf der Website mit der Tastatur bedient, und es funktioniert nicht. Es gibt so viele Vorteile, die auch nicht eingeschränkten Personen zu Gute kommen und so die User Experience deutlich verbessern.
An wen sollte man sich nun aber wenden? Wird ein Auftrag ausgeschrieben, so muss hier auch die Anforderung zur Barrierefreiheit vermerkt werden. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen schreiben eine Konformität gemäß der WCAG 2.0 AA vor, wobei es bereits die 2.1 gibt, die sich um 13 Erfolgskriterien unterscheiden. Unser Rat ist es, die 2.1 zu befolgen. Bei Fertigstellung ist es für viele Verantwortliche nahezu unmöglich festzustellen, ob die Website nun denn wirklich zugänglich ist. Um dies zu überprüfen, sollte man sich einen erfahrenen Experten für ein Audit holen, oder gleich auch bei Auftragsvergabe vereinbaren, dass eine Abnahme nur erfolgt, sollte das WACA Zertificat erteilt werden. Durch diese externe Expertise erhält der Auftraggeber ein genaues Bild der Probleme und kann so Nachbesserungen beim Lieferanten wesentlich einfacher durchsetzen.
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