Am 6. und 7. Juni fand das Fifteen Seconds Festival in der Stadthalle Graz statt, welches ich dieses Jahr besuchen durfte. Für alle, die es nicht kennen – das Fifteen Seconds Festival ist eine Veranstaltung mit Vorträgen rund um die Themen Wirtschaft, Innovation, Kreativität und Zukunft. Bereits im Vorfeld war ich von der überwältigenden Anzahl an Vorträgen auf 9 unterschiedlichen Bühnen etwas überfordert. Wer nächstes Jahr die Veranstaltung besuchen möchte, dem rate ich dringend, sich im Vorfeld genau zu erkundigen, welche Vorträge geplant sind, wann diese stattfinden und sich einen Plan zurechtzulegen. Die einzelnen Vorträge dauern durchschnittlich 30 Minuten – ideal, um sich auf die wesentlichen Inhalte zu beschränken und die Aufmerksamkeit aufrecht zu halten. Durchgehend erhält man neuen Input und wird mit purem Fachwissen dauerbeschallt. Auch wenn die Sessions recht kurz angelegt sind, raucht schnell der Kopf und der kleine Park lädt mit Kaffee und Foodtrucks zum durchschnaufen ein.
Ich habe viele unterschiedliche Vorträge besucht und beim Schreiben des Blogbeitrags habe ich überlegt, auf welches Thema ich näher eingehen möchte. In den letzten Monaten befasste ich mich ausgiebig mit dem Thema Augmented Reality (kurz AR) und habe ein Whitepaper erstellt, welches ihr euch kostenlos hier herunterladen könnt. Daher war es schnell klar, dass ich dieses Thema noch einmal besonders hervorheben möchte.
Bereits zu Beginn des ersten Tages läutete Galit Ariel das Fifteen Seconds Festival in Graz mit einem Vortrag zum Thema AR ein. Wenngleich Vorträge zu diesem Thema dieses Jahr noch eine sehr untergeordnete Rolle spielten, waren sie umso aufschlussreicher und sehr lehrreich. Galit Ariel sprach in ihrem Vortrag “future space[s]” darüber, wie sich unser Raum definiert und durch Augmented Reality verändert. Wir alle brauchen Raum – Platz zum Atmen, Freiraum, um kreativ zu denken oder eine virtuelle Leinwand, um unsere Ideen zu präsentieren. Raum gibt uns Möglichkeiten, uns zu entfalten, er inspiriert uns und informiert uns. 80% der Datenverarbeitung unseres Gehirns wird aus visuellem Input generiert.
Dabei unterschied sie zwischen dem physikalischen Raum (der 3-dimensionale Raum, in dem physikalische Gesetze herrschen), dem mentalen Raum (also persönliche Perspektiven, Träume und Visionen) und dem digitalen Raum (ein messbarer, synthetischer/künstlich geschaffener Raum). Und gerade dieser digitale Raum ist es, der sich mithilfe von AR immens erweitert und dadurch eine Brücke zwischen den verschiedenen Raumtypen schlägt.
Ein guter Anwendungsfall, wie mithilfe von AR unser digitaler Raum erweitert und in den physikalischen Raum integriert wird, ist Minecraft AR, welches kürzlich auch auf der Apple WWDC Keynote demonstriert wurde. Die virtuellen Bausteine können nun mithilfe von AR-Technologie in der realen Welt platziert und auch von anderen Usern bestaunt werden. Daneben erzählte Galit Ariel auch von Beispielen aus dem E-Commerce Bereich. Augmented Skins, also Oberflächen, die sich mithilfe von AR visuell verändern oder virtuell entdeckt werden können, oder Storytelling-Beispiele, wie jenes von Jack Daniels, bei dem sich die Whiskyflasche in ein Pop-Up Buch verwandelt, zeigen, welche neuen Möglichkeiten sich ergeben. E-Commerce wird zu Experience-Commerce und schafft ein einzigartiges Markenerlebnis.
Neben all den neuen Innovationen wies Galit Ariel aber auch auf die negativen Seiten der Technologie hin. Zum Beispiel die zunehmende Distanzierung der Menschen, die sich nur noch auf ihr Smartphone statt auf ein Gespräch konzentrieren. Aber auch fehlendes Vertrauen in Technologie und Sensory Overload, also der Überfluss an Informationen, sind nur einige Punkte, die es zu beachten und stetig zu evaluieren gilt.
Ein besonderes Highlight des ersten Tages war für mich der Vortrag von James Beacham, von dem ich unbedingt berichten muss. Der Teilchenphysiker arbeitet am Large Hadron Collider (LHC) des CERN und entführte mit seinem Vortrag “What’s Outside The Universe?” in die unendlichen Weiten des Weltalls. Auf verständliche Art brachte er, natürlich nur sehr oberflächlich, Themen rund um Atome, das Higgs Boson, den LHC und dunkle Materie näher. Sehr spannend war die Frage, was außerhalb des Universums existiert, die unvorstellbare Vorstellung von Nichts und ob wir die Antwort auf solche Fragen wirklich verstehen können oder überhaupt wissen wollen. Mit der Diskussion zur Existenz von Paralleluniversen und dem Sinn des Lebens zog James Beacham die Zuhörer in seinen Bann, der auch Nicht-Physiker erreichte. Auch, wenn man von der Existenz von Paralleluniversen ausgeht, machte er klar, dass wir auf unserer Erde, zum jetzigen Zeitpunkt und Ort einzigartig sind. Und wie wichtig es ist, wie wir miteinander umgehen. Er schaffte eine überaus emotionale, sehr subtile aber derart passende und klare Brücke zu aktuellen politischen Gegebenheiten. Belohnt wurde dieser letzte Vortrag des Tages mit Standing Ovations, einem gefühlt 10-minütigen Dauerapplaus und Gänsehaut pur. An solchen Vorträgen zeigt sich, wie wichtig und wertvoll solche Veranstaltungen auch abseits des eigenen Themengebiets sind. Und auch nach dem Ende des ersten Tages, während man bei einem gemeinsamen Bier in der Sonne saß und den Tag revue passieren ließ, beschäftigte uns speziell dieser Vortrag und die Fragen, die er aufwarf, noch lange.
Doch zurück zum Thema Augmented Reality. Dazu gab es nämlich am zweiten Tag noch einen Vortrag von Thomas Schranz auf der Startup Stage. Er sprach über AR Kampagnen auf Instagram, Snapchat und Facebook. Warum er speziell auf diese Plattformen eingeht liegt klar auf der Hand. Über 1 Milliarde User verwenden AR Filter und sie sind ganz ohne irgendwelche zusätzlichen Apps direkt über die Facebook/Instagram/Snapchat-Kamera zugänglich, welche von der Zielgruppe meist ohnehin bereits auf dem Smartphone installiert wurde. Thomas Schranz erläuterte für wen AR Anwendungen, in diesem Fall Face-Filter, besonders interessant sind. Eigentlich komme ich zu dem Schluss, dass es für jeden auf eine Art und Weise relevant ist.
Für Marken bieten sich neue Storytelling Methoden um Brand Awareness und Markenerlebnisse zu schaffen. Hinzu kommt, dass traditionelle Kanäle übersättigt und vergleichsweise teuer sind. Startups profitieren ebenfalls von einer vergleichsweise günstigen Umsetzung, im Gegensatz zu Werbespots oder Ähnlichem, welche ein viel höheres Budget erfordern. Agenturen haben nach aktuellem Stand die Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben. Noch sind AR-Anwendungen und -Kampagnen eher rar vertreten. Außerdem lassen sich vor allem Face-Filter, die mithilfe von Spark AR erstellt werden und direkt in das Facebook Ökosystem integriert sind, optimal mit bestehende Facebook-Kampagnen auf Facebook und Instagram verbinden. Auch Freelancer können von den neuen Face-Filtern profitieren, indem sie bereits vorhandene Skills (wie Grafik Design, Javascript, etc) in einer bestehenden Infrastruktur von Facebook anwenden können.
Hinsichtlich der Anwendungsgebiete konnte Thomas Schranz einige interessante Beispiel liefern. Ein Hype, der nur sehr langsam aber sehr erfolgreich aufgegriffen wird, sind AR Games. Die neuen Interaktionsmöglichkeiten machen Spaß und animieren die User zum ausprobieren. Auch für Product-Placements ergeben sich völlig neue Möglichkeiten. Gerade im Beauty-Segment (zum Beispiel Lippenstift oder Make-Up) können die User direkt sehen, wie das Produkt an ihnen selbst aussieht und wirkt. Face-Filter und AR-Anwendungen können auch verwendet werden, um auf bestehende Hypes oder Events aufzuspringen. Natürlich wurden auch hierfür Beispiele gezeigt. Für mich war es ein besonderer Moment, auf den ich sehr stolz war, als Thomas Schranz unsere Face-Filter zum Eurovision Song Contest und Life Ball als Beispiele auf der Leinwand zeigte. Für alle, die unsere Face-Filter noch nicht ausprobiert haben: Den Filter zum Eurovision Song Contest könnt hier ansehen. Unseren neuesten Filter zum Life Ball gibt es hier. Ihr werdet direkt in die Facebook App weitergeleitet, falls ihr sie installiert habt. Nehmt doch ein Foto auf und zeigt es uns, indem ihr uns darin verlinkt.
Face-Filter und generell AR Anwendungen sind klar im Vormarsch. Und wie Thomas Schranz eingangs in seinem Vortrag gesagt hat: “AR Filter sind gekommen um zu bleiben”. Noch sind sie verhältnismäßig wenig vertreten, dafür aber mit großem Erfolg. Keiner kann jedoch zum aktuellen Zeitpunkt sagen, wie man Face-Filter oder AR Kampagnen richtig macht. Die Möglichkeiten mit der AR Technologie sind vollkommen neu und es existiert keine Checkliste darüber, was gut oder weniger gut funktioniert. Thomas Schranz rief dazu auf, herumzuexperimentieren und der Kreativität freien Lauf zu lassen. Jetzt ist der richtige Moment dafür. Facebook hat angekündigt Face-Filter auf Instagram diesen Sommer für alle zu öffnen. Ein genaues Datum wurde jedoch noch nicht genannt. Es bleibt also noch etwas Zeit, um sich mit der Technologie vertraut zu machen. Wir müssen jetzt diesen Vorsprung nutzen – ganz im Sinne des Slogans des Fifteen Seconds: “The future belongs to the curious ones”.
Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich vom Fifteen Seconds Festival mehr als begeistert war und mit viel neuem Input, Ideen und Motivation zurück gekommen bin. Neben Vorträgen, die speziell auf mein berufliches Themengebiet abgestimmt waren, besuchte ich auch viele Vorträge aus reiner Neugier, wie den zuvor erwähnten Beitrag von James Beacham zum Thema Universum. Ich bin der Meinung, dass es nicht nur darum geht, sein Know-How im eigenen Fachgebiet zu erweitern. Solche Sessions regen zum Nachdenken an, gewähren einen Blick über den Tellerrand und stoßen zu neuen Gedankengängen an. Auch von der entspannten und ungezwungene Atmosphäre während der Veranstaltung, die zum lockeren Austausch und Gesprächen mit Menschen aus unterschiedlichen Bereichen einlud, war ich begeistert.
Für alle, die ebenso begeistert waren oder neugierig geworden sind – nächstes Jahr findet das Fifteen Seconds Festival von 4. – 5. Juni statt.