Big Data ist nun wirklich kein neues Buzzword mehr. Vielmehr geistert dieser Begriff schon seit Jahren durchs Web und wurde von vielen eher mit dem Datensammeln als mit den Möglichkeiten verknüpft, die Analysen dieser Daten bringen. Anlässlich des Big Data Marketing Day im C3 Convention Center von letzter Woche möchte ich mein Interesse an diesem Thema in Form eines kleinen nicht nur auf Fakten basierenden, sondern leicht philosophischen Beitrag, loswerden.
Vorweg noch eine Definition von Big Data laut Gartner: < Big data is high-volume, high-velocity and high-variety information assets that demand cost-effective, innovative forms of information processing for enhanced insight and decision making.
Daten sind das neue Öl
Das Sammeln und Auswerten von Daten entspricht heutzutage dem gleichen Prinzip wie vor 100 Jahren, während dem Öl-Boom. Man versucht so viele Quellen wie möglich anzuzapfen, um daraus Profit zu schlagen. Man sehe sich nur Google, Facebook oder dessen Übernahme von WhatsApp um 19 Mrd. Dollar an. Diese Akquisition verdeutlicht anschaulich den Wert von Daten. Es wird versucht, eine Vielzahl an Touchpoints auszuwerten und mit den daraus gewonnenen Daten Handlungsprognosen zu erstellen und folglich neue Produkte und Dienstleistungen abzuleiten. So kommt das Meinungforschungsinstitut Gartner nicht ohne Grund zu dem Schluss, dass bereits im Jahr 2017 Marketingverantwortliche mehr Geld für Technologie als CIOs ausgeben. Laut Gartner gaben über 64 % der befragten Unternehmen an, bereits in Datenanalyse zu investieren oder dies innerhalb von 12 bis 24 Monaten zu tun.
Mit Big Data zum Kassenschlager
So ist es auch nicht verwunderlich, dass die britische Miniserie von BBC “House of Cards” erst mit Netflix eingeschlagen hat wie eine Bombe. Netflix betreibt par excellence Datenanalyse und hat auf Basis dieser Evaluierung die Rechte erworben und eine Neuauflage auf Datenanalysen gebaut und gewonnen. Die Zeiten, in denen Intuition und kreative Arbeit alleine der Weg zum Erfolg war, sind vorbei – in Data Driven Marketing liegt die Zukunft. Eine Vielzahl an Daten (personenbezogen, anonym, soziodemographisch, Open Data) werden zusammengeführt und mit Hilfe komplexer Algorithmen analysiert. Diese ermöglichen im Anschluss personalisierten Content, werden Cross Platform & Cross device ausgespielt, steigern die Penetration und fördern den Kaufanreiz zur Steigerung der Conversions.
Für alle, die nun ein wenig verdutzt schauen, ein kleines Beispiel. Ich besuche einen Webshop, welcher mir bereits auf der Landingpage andere Produkte anbietet als meinem Freunden, da ich etwa in einem Bezirk mit höherer Kaufkraft wohne und mit einem Bildschirm mit Retina-Auflösung einsteige. Aktuelle Angebote in diesem Shop basieren nicht mehr auf der starren Ausgabe von Daten, die manuell angelegt und aus dem CMS ausgespielt werden, sondern diese werden dynamisch auf Grund meiner Interessen, benutzter Devices, vorheriger Suchanfragen und aktueller Trends ausgespielt. Jeder Shopbetreiber, offline, wie online weiß, dass Präsentationsfläche begrenzt ist. Hat man jedoch die Möglichkeit, das “Schaufenster” je nach Interessen und Vorlieben des Kunden zu bestücken, steigert das natürlich gewaltig die CTR und wenn man nicht alles falsch macht auch die Conversion. Fakten die auch Florian Lüft am Big Data Marketing Day anhand seiner Erfahrungen bestätigen konnte.
So wird es spätestens jetzt niemanden mehr wundern, dass es bei House of Cards auf Netflix nicht nur einen Trailer, sondern Hunderte gibt. Fans von Kevin Spacey sehen Trailer mit ihm als Hauptdarsteller, während weibliche Zuseher überwiegend die weiblichen Charaktere zu sehen bekommen. Hunderte Metatags und die Möglichkeit, jede Aktion genau zu verfolgen ermöglichen Netflix seine knapp 60 Mio Nutzer genau zu analysieren und ihnen das Programm zu geben, das sie sehen möchten. Wer noch einen spannenden Beitrag zum Thema Netflix und Big Data lesen möchte, dem sei der Wired Beitrag – Big Data Lessons from Netflix wärmstens empfohlen.
Individualisierung als A und O der Zukunft
Nehmen wir wieder den Webshop als Beispiel. So kennt man von Google, dass eine Suche bei zwei Menschen nie das gleiche Ergebnis liefert. Das geschieht auch im Shop, wie etwa durch individualisiertes Aussehen und Verhalten der Storefront. So passen sich etwa die Möglichkeiten der Facettensuche (Reihenfolge der Filter) meinem Kaufverhalten an, Preise werden dynamisch auf Grund der Nachfrage und des Surfverhaltens generiert. Die Bezahloption, mit der ich schon einmal bezahlt habe, wird hervorgehoben. Breche ich den Kaufprozess ab und verlasse ich den Shop, erreicht mich zielgenau Werbung zum Retargeting auf unterschiedlichsten Netzwerken, werden mir Newsletter mit individualisierten Inhalten oder SMS geschickt. Je nach gewünschter Penetrationsintensität, wobei man aber die Geduld des Kunden nicht auf die Probe stellen sollte. Jeder kann sich vorstellen, welche Möglichkeiten hier noch schlummern. Ob man das nun für gut befindet oder nicht, wir werden uns daran gewöhnen und es als Normalität empfinden, wie etwa die Quengelware an der Supermarktkasse.
Dynamisches Pricing statt traditioneller Preismodelle
Fest eingesessene Pricing-Modelle werden über den Haufen geworfen. Ob bei Printmedien, Plakaten oder im Web. So hat T-Systems das Produkt Motionlogic entwickelt. Eine Plattform, die Interessenten gegen Bezahlung anonymisierte Bewegungsdaten ihrer Nutzer zur Verfügung stellt (in Österreich ist dieser Service frühestens mit 2015 verfügbar). Was in Großbritannien schon seit Jahren durch einen Zusammenschluß mehrerer Mobilfunktanbieter in dieser Sparte geschieht, steckt bei uns noch in den Kinderschuhen. Gepaart mit soziodemographischen Merkmalen lassen sich mit solchen Diensten Besucherflüsse, Verkehrsaufkommen und etwaige Bottlenecks nahezu in Echtzeit darstellen. Von den Anwendungsgebieten in Hinblick einer Verknüfpung mit anderen Daten ganz zu schweigen. So kann in Zukunft etwa bewertet werden, wieviele Personen an einer Plakatwand oder einem Schaufenster vorbeigehen, welcher Alterstruktur diese angehören, welche Kaufkraft diese haben und es wird dahingehend die Steuerung der Werbung flexibel angepasst.
Daher werden Pricingmodelle für Außenwerbung oder Printmedien einen Wandel erfahren. Wurde bisher noch mit fixen Raten auf Basis von Auflage und Reichweite kalkuliert, kann in Zukunft auf nahezu genauen Sichtkontakten verrechnet werden. So lassen sich auf Basis von Prognosen oder dem plötzlichen Auftreten von Zielgruppen in Echtzeit Werbeplätze auf Displays eingebucht werden (Real time marketing, real time bidding, programmatic buying seien hier als Buzzwords genannt). Dieser Wandel führt vermutlich in einem ersten Schritt zu Dumpingpreisen und dem Verschwinden von Preismodellen und so manchem Anbieter, erfährt aber durch Premiumangebote und der Möglichkeit von Auktionen wieder eine gewisse Stabilität.
Datenschutz und Missbrauch
Einige unter euch werden nun bestimmt aufschreien und fragen, wo der Datenschutz geblieben ist. Es liegt nicht nur am Datenschutz, sondern auch wie Unternehmen mit unseren sensiblen Daten umgehen und welche Richtlinien man diese vorgibt. Ja klar, Regeln sind da um gebrochen zu werden. Aber es liegt vor allem an uns selbst. Wir geben jeden Tag Unmengen an Daten Preis. Sei es über unsere Kundenkarten, Telefongespräche, Emails, bei diversen Supermärkten oder Kaffeehausketten, über die Vielzahl an Social Networks die wir teilweise ohne Bedacht nutzen, den Einkäufen oder die wir mit Kredit- oder Bankomarktkarte nutzen.
Medienkompetenz gefordert
Es ist wichtiger denn je, genau zu wissen, was mit den Daten passiert, die man von sich preisgibt. Hinsichtlich Datenmissbrauch gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten. Angefangen von unerlaubten Werbeanrufen bis hin zur Übernahme von einer (Online-)Identität (zugegeben ein wirklicher Extremfall). Problematisch in Hinblick auf den sozialen Aspekt wird es im Medizinsektor. Hier kann Datenmissbrauch zu einer Mehrklassenmedizin führen, eine Versicherung einen Kunden auf Grund der sexuellen Einstellung, der Interessen, oder der Arbeit einen Vertrag verweigern, beziehungsweise zu extrem hohen Konditionen anbieten. In der digitalen Welt existieren Informationen für immer, werden nicht einfach vergesesen oder verlegt. Die Politik ist mehr gefordert denn je, ihre Bürger durch Bildung auf die Chancen vorzubereiten und vor den Gefahren zu bewahren, die dieser technologische Wandel bringt. Leider reagiert unsere Politiker immer, anstatt zu agieren. Wir dürfen uns jedoch nicht auf andere verlassen, sondern uns selbst weiterbilden und die Mündigkeit in dieser digitalen Welt erlangen.
Big Data als Sprungbrett in eine bessere Welt
Aber um nicht nur auf die Potenziale im Marketing einzugehen und die Risiken darzustellen, möchte ich noch auf die ökologische und sozial wertvollen Einsatzgebiete von Big Data eingehen. Big Data ist eine Chance, die Menschheit vor Katastrophen zu bewahren, das Leben sicherer zu machen und Krisen zu minimieren. Es können Grippewellen frühzeitig erkannt und somit für ausreichend Impfstoff in der Region gesorgt werden. Transportwege und Kapazitäten können optimiert und somit Treibstoff und folglich CO2 eingespart werden. Autonome Fahrzeuge können uns durch die Auswertung einer Vielzahl von Daten sicher durch die Gegend chauffieren. Der Kurs eines Hurrikans kann prognostiziert und Menschen rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Physikalische Gesetze überprüft, Klimaprognosen modelliert oder neue Teilchen mit Hilfe des LHC Cern gefunden werden.
Wie steht ihr eigentlich dem Thema Big Data gegenüber? Daten sammeln und auswerten, ja oder nein? Betreibt ihr aktiven Datenschutz, durch selektive Preisgabe von Daten oder Verschlüsselung eurer Kommunikation?