Finanzierung durch die Crowd, das klingt für viele Start-ups, mit einer großen Idee, aber ohne ausreichend finanzielle Mittel, so richtig verlockend. Immerhin wurde ja bereits lange an einer Idee gefeilt und überhaupt ist diese innovativ und ohnehin auf den ersten Blick als “The next big thing” zu erkennen. Doch reicht dies bereits aus, um ein erfolgreiches Crowdfunding-Projekt zu launchen?

Vermeintlich schnell lassen sich Crowdfunding-Kampagnen auf KickstarterIndiegogo und Co. aufsetzen. Eigentlich braucht man dann nur mehr warten, bis Unterstützer, die sogenannten Backer, das Potenzial der eigenen Idee erkennen und vor lauter Begeisterung die Kreditkarte zücken. Spoileralarm: Es gibt auch oder besonders im Crowdfunding Spielregeln, die rasch über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

Community-Aufbau vor dem Start

Wochen- oder monatelange Vorbereitung auf einen einzigen Punkt hin, den Go-Live, das kennt man bei der Umsetzung von digitalen Lösungen, Webprojekten und Co. Die Bewerbung über Social Media läuft auf Hochtouren, auf der Coming-Soon Website wurde der Countdown eingebaut. Die Erwartungshaltung liegt entsprechend hoch, man selbst kann es kaum mehr erwarten, bereitet sich auf den Ansturm vor und dann passiert… NICHTS. Google Analytics zeigt in Echtzeit das nur wenige Besucher auf die Website oder die Kampagnen-Seite finden. Enttäuschung macht sich breit, panischer Aktionismus kann die Folge sein. Denn anders als bei einer regulären Website, beginnt bei einer Crowdfunding-Kampagne, die meist auf ca. 30 Tage begrenzt ist, ein Wettlauf gegen die Zeit. Die ersten Tage sind entscheidend. Wer einen erfolgreichen Start hinlegt, schafft Vertrauen in das eigene Projekt. Services wie Klicktraq geben laufend aktualisierte Prognosen über den Kampagnenerfolg ab und niemand möchte in ein zum Scheitern verurteiltes Projekt investieren. Gerade in den ersten Tagen gilt es, die Super-Backers zu aktivieren. Das sind Unterstützer, die bereits in sehr viele Ideen investiert haben und als starke Multiplikatoren gelten.

Doch um einen Raketenstart hinzulegen muss Vorarbeit geleistet werden. Selten geht ein Produkt einfach so durch die Decke, dahinter steckt jede Menge Arbeit. Wichtigste Regel daher: Der Launch (der Idee oder des Produktes) sollte nie zeitgleich mit der Kampagne erfolgen. Die Menschen benötigen Zeit, um sich mit dem Angebot auseinanderzusetzen ,es kennen zu lernen, Fragen zu stellen und Interesse entstehen zu lassen. Wichtig ist deshalb, dass es zumindest eine rudimentäre Website gibt, die das Produkt oder die Idee erklärt, Updates über Social Media veröffentlicht werden und eine Newsletter-Anmeldung auf der Website potenzielle Interessenten dann pünktlich zum Go Live informiert. Damit baut man sich rechtzeitig einen Stamm an potenziellen Backers auf.

Mit Storytelling Geschichten statt (technische) Details verkaufen

Am Anfang steht die Story. Menschen interessieren sich auch für die Hintergründe einer Idee. Wie kam es dazu, das Produkt zu entwickeln, welche Anwendungs- und Bedarfsfälle gibt es? Emotionalisieren kann man nicht mit technischen Details, die Menschen müssen mit einer Geschichte abgeholt werden, es muss ein eindeutiger Mehrwert kommuniziert werden. Beinahe jede Idee – von der Software bis zum Produkt – hat eine Geschichte, die man sich in Erinnerung rufen muss. Wie kam es nochmal zur Umsetzung, was brachte den Stein ins Rollen und wo ist der rote Faden in der Story? Eine interessante Geschichte angereichert durch emotionalisierende Bilderwelten helfen hier enorm. Gedanken rund um das Thema Storytelling haben wir in diesem Blogbeitrag für euch schon einmal zusammengefasst.

Wenn all diese Fragen beantwortet sind wird es Zeit sich um das Video, das zentrale Element jeder Kampagne, zu kümmern. Damit wird in wenigen Minuten vermittelt, warum ein Produkt gekauft werden sollte. Die Kampagnen-Videos werden im Durchschnitt einige tausend Mal angeklickt, es lohnt sich also wirklich, hier Geld in die Hand zu nehmen und das Video so professionell wie möglich zu gestalten.

Mini-Pitch bei Journalisten und Bloggern

Die Hausaufgaben gehören im Vorfeld erledigt, d.h welches Medium wird angeschrieben, welcher Journalist ist für das entsprechende Ressort zuständig und im Idealfall hat man sich auch die Arbeit gemacht, ein paar thematisch passende Artikel zu recherchieren und zu referenzieren. Jedes Anschreiben entspricht einem Mini-Pitch, bei dem man nur ein paar Sätze lang Zeit hat, von der Innovationskraft des Produktes zu überzeugen. Gerade die Redakteure großer Medien wie Mashable, Techcrunch und Co. bekommen tausende E-Mails täglich, da gilt es durch Persönlichkeit aus der Masse hervorzustechen.

Auch wenn es weh tut: Das eine Idee viral geht ist zwar ein frommer Wunsch vieler Marketer, trifft aber dennoch nur selten und kaum auf Befehl ein. Kaum jemand erfährt von einer Idee, nur weil sie gut ist. Auf Plattformen wie Kickstarter laufen tausende Projekte gleichzeitig, fast jedes verspricht einzigartig auf dem jeweiligen Gebiet zu sein. Eine Presseaussendung, die mehr als Selbstbeweihräucherung, sondern echten Nutzen kommuniziert, gehört also ins Standardrepertoire der Kommunikationsarbeit. Um größtmögliche Bekanntheit zu erzielen, empfiehlt es sich die Kommunikation in jedem Fall auf Englisch. Selbstredend können weitere Sprachen bei Bedarf ergänzt werden.

Der erste Eindruck zählt

Mit einer Crowdfunding-Kampagne verhält es sich nicht anders als mit einer Website. Im Vorfeld sollte ein Konzept erarbeitet werden, dass klar die Bedürfnisse der Besucher abdeckt. Was erwarten sie sich von der Kampagne, an welcher Stelle werden welche Informationen präsentiert und wie werden diese optisch aufbereitet? Je professioneller die Kampagne wirkt, desto eher ist die Bereitschaft vorhanden, diese zu unterstützen. Eine an das Corporate Design angepasste Kampagne ist Pflicht, falls noch kein Corporate Design vorhanden sein sollte, ist dies die beste Gelegenheit eines zu erstellen. Denn auch nach der Kampagne muss es im Prinzip sofort weitergehen.

Hohes oder niedriges Fundinggoal?

Die Gretchenfrage, die alles entscheidet lautet: Wie hoch setzt man das Fundinggoal der Kampagne? Dabei zu beachten gilt: Auch die Plattform-Anbieter kassieren mit. Bis zu 10 Prozent des erreichten Ziels sind am Ende abzutreten, einerseits rund 5% an die Plattformbetreiber, andererseits zwischen 3 und 5% an den Payment-Provider. Setzt man dann noch auf Support von externen Backer-Services, wie Backerclub, Backersnation oder Krowdster mit zusätzlichen Rabatten für Backers muss man auch im Auge behalten, dass von der Finanzierung für den Produktionsstart oder die Umsetzung vielleicht mehr als ein Drittel abgezogen wird.

Auch wenn es auf den ersten Blick unlogisch erscheint, das Fundinggoal sollte aus mehreren Gründen niedrig angesetzt werden. Ein niedriges Ziel wird schneller erreicht, was sich wiederum auf die Sichtbarkeit auf der Plattform selbst auswirkt und andererseits weiteres Vertrauen und Empfehlungen für das Produkt nach sich zieht. Die ersten Tage sind – wie eingangs erwähnt – nicht nur entscheidend sondern maßgeblich erfolgsbestimmend. Erreicht man bei einer 30-tägigen Kampagne nicht innerhalb von 10 Tagen zumindest ein Drittel bis die Hälfte, verschlechtern sich die Prognosen sehr schnell, was sich wiederum auf die Unterstützungsbereitschaft auswirkt. Doch wie lässt sich dem vorbeugen?

Attraktive Pledges entwickeln

Pledges nennt man die Angebote bei einer Kampagne. Diese sollten zur Preispolitik des Unternehmens und der Zielgruppe passen und dem Produkt entsprechen. Für ein Handycover EUR 100 zu verlangen wirkt unglaubwürdig, ebenso wird man ein hochwertiges Produkt nicht um wenige Euro verscherbeln. Wichtig ist es, Angebote zu präsentieren, die einen Anreiz schaffen. Besonders attraktive Specials können zudem auf eine vorab definierte Stückzahl beschränkt werden. Das spornt Early Backers zusätzlich an, sich gleich eines der begehrten Teile zu sichern. Sind von 50 verfügbaren Stück 30 innerhalb weniger Tage vergriffen wirkt sich dies ebenso positiv aus wie auch eine gestaffelte Preispolitik. Zusätzlich sollte sich eine Grafik in der Kampagne wiederfinden, die übersichtlich die Pledges erklärt. Welchen Kombinationen mit welcher Stückzahl zur Verfügung und wie hoch ist die Ersparnis gegenüber dem anschließenden Einzelhandelspreis. Hauptaugenmerk sind die Kombinationen samt Stückzahlen und der damit verbundenen Ersparnis, die beim sofortigen Kauf in Anspruch genommen werden können. Stretch goals einplanen Und wenn der Traum wahr wird und die eigene Kampagne innerhalb von Stunden oder Tagen finanziert ist stellt man sich unweigerlich die Frage: Und nun? Die Kampagne läuft vielleicht noch 20 Tage aber man hat keine Idee, wie man die Zeit füllt. Deshalb sollte man sich im Vorfeld überlegen, was man den Backers anbieten kann, um attraktiv zu bleiben. So genannte Stretch Goals eignen sich dazu perfekt. Diese beschreiben Erweiterungen des Produkts. Bei einer von uns umgesetzen Kampagne für den Jet-Motor SCUBAJET war das Finanzierungsziel von EUR 60.000 in 4 Tagen erreicht, das Stretchgoal bei EUR 100.000 stellte die standardmäßige Integration eines LED lights dar. Backers sind Multiplikatoren, ist das Stretch Goal attraktiv genug, sprechen sie darüber und helfen mit, weitere Ziele / Strech Goals zu erreichen oder bringen gar neue Inputs für eben solche ein.

Auf Fragen und Bedürfnisse eingehen

Flexibilität ist das A und O und man kann sich darauf einstellen, dass täglich mehrere Nachrichten und Kommentare sowie E-Mails mit Fragen auftauchen. Dadurch wird wertvoller Input generiert und neue Perspektiven oder Potenziale zum Produkt / zur Idee werden aufgezeigt. Das nimmt natürlich Zeit in Anspruch, die man sich allerdings in jedem Fall nehmen sollte. Nicht nur, um die eigene Finanzierung zu sichern, sondern oftmals sind Tipps enthalten, die über den eigenen Erfolg entscheiden können. Darüber hinaus ist es auch wertschätzend gegenüber seinen Unterstützern, die schließlich an die Idee glauben, diesen mit einem offenen Ohr zu begegnen.Oftmals tragen sie maßgeblich zur Produktweiterentwicklung bei oder liefern wichtige Anstöße für Kooperationen. Kommunikation auf Augenhöhe könnte die Essence hieraus beispielsweise lauten.

Und wenn alles nichts hilft?

Natürlich kann auch der Moment kommen, an dem man erkennt, dass die eigene Kampagne trotz aller Bemühungen zum Scheitern verurteilt ist. Weil man die falsche Sprache gewählt hat, das Fundingziel zu hoch war, keine Community aufgebaut hat, nicht ausreichend Zeit hatte, um ein Design zu erstellen, oder weil plötzlich ein Mitbewerber auftaucht. All diese Faktoren sowie der richtige Zeitpunkt, mit einem Quäntchen Glück entscheiden über Erfolg oder ein vorzeitiges Ende. Besser als mit stoischer Gelassenheit dem Schiff beim Sinken zusehen ist es, die Kampagne frühzeitig zu beenden, auf Reset zu drücken und nochmal von vorne zu beginnen. Was es dabei zu beachten gibt und wie man aus einer gescheiterten Kampagne doch noch eine Erfolgsstory zaubert, erfahrt Ihr im zweiten Teil unserer Blogserie rund um das Thema Crowdfunding.