Heuer habe ich zum ersten Mal die Zero Project Conference besucht. Das Event, das von der Essl Foundation ins Leben gerufen wurde, war so inspirierend für mich, dass ich mich bereits jetzt auf die nächste Ausgabe freue. Die Vereinten Nationen verliehen der Konferenz im Vienna International Center den passenden Rahmen. Über 600 Teilnehmer aus mehr als 70 Ländern präsentierten ihre Zugänge zu den Themen Inklusion, Zugänglichkeit und Gleichberechtigung aller Menschen.

Barrieren brechen

In den letzten Jahren wurden besonders in den sozialen Medien Stimmen laut, immer mehr Posts befassten sich mit den Richtlinien und Anwendungen, die eine beachtliche Anzahl von 4000 Experten zum Zero Project eingereicht haben. Diese behandeln eine weitgefächerte Bandbreite verschiedener Projekte, die alle eins gemeinsam haben: Sie unterstützen die Umsetzung der United Nations Convention on the Rights of Persons with Disabilities (UN CRPD). Während eines 4-jährigen Zyklus wurde an vier verschiedenen Themen gearbeitet und auch das Team von und um Martin Essl hat dieses Jahr einen ausgezeichneten Job gemacht.

Bereits beim ersten Betreten des Vienna International Centers, noch bevor die Sicherheitsschleusen passiert werden, erhält man einen guten Eindruck dessen, was in den nächsten Tagen auf die Teilnehmer wartet. Die Eröffnungszeremonie, die von Caroline Casey moderiert wurde, war bereits der erste prägende Moment. Sie brachte genau das richtige Maß an Energie und Einfühlungsvermögen mit, um jeden Zuhörer in den Bann zu ziehen. Diese Session war sozusagen der Startschuss zu meiner Reise in eine inklusivere Gesellschaft. (Na gut, ich arbeite bereits seit einigen Jahren im Bereich Barrierefreies Web, aber dieses Event gab mir noch mehr Zündstoff – ich möchte noch mehr erreichen!)

Der erste Experte, den ich kennenlernen durfte, Mikael Snaprud von Tingtun, hat eine Anwendung für Accessibility Checks auf großen Websites gebaut. Er war auch derjenige, der mich auf die Idee gebracht hat, eine skalierbare Lösung für die Verbesserung der Barrierefreiheit auf Webseiten anzubieten und diese mit der ideologischen Verpflichtung unseres Projekts der Austrian Web Accessibility Certificate Initiative zu kombinieren. Das verbessert nicht nur die rechtliche Verantwortung, sondern stärkt auch den Arbeits- und Bildungssektors. Hoffentlich treffe ich Mikael bald wieder, um in diesem Bereich mit ihm zusammen zu arbeiten.

Einer der für mich bewegendsten Momente der gesamten Konferenz war die Ausstrahlung des Videos der Canadian Down Syndrome foundation. Überzeugt euch selbst:

Tag #2: Unser Projekt

Als Vorstandsmitglied der Austrian Web Accessibility Certificate Initiative hatte ich die Möglichkeit, an der Veranstaltung teilzunehmen, Klaus Höckner von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs zu sehen und unser Projekt zu präsentieren, das auf internationalen Standards basiert, mit Hilfe von Open Source Software umgesetzt wurde und die Konformität von Websites prüft. Es enthält nicht nur ein Monitoring Tool für staatliche Initiativen und Einrichtungen, sondern bietet dem Websitebetreiber auch eine Möglichkeit zur Qualitätssicherung hinsichtlich der Performance und SEO Themen. Weiters planen wir, diese Infrastruktur mit Ausbildungszielen zu kombinieren und so Dienstleister im digitalen Sektor noch weiter zu stärken und unterstützen. Wir bieten damit also einen etwas anderen Zugang zu einem verbreiteten Problem. Kurz darauf kamen Werner Rosenberger und ich auch ins Gespräch mit [Monica Duhem]/https://www.facebook.com/zeroproject.org/videos/vl.528577097514173/1792598110779841/?type=1 „Monica Duhem“) von Hearcolors, in dem wir die Optimierungsprozesse in Bezug auf Web Accessibility in Mexiko und Bangladesh besprachen.

Später am Nachmittag ging der zeremonielle Teil der Konferenz los. Alle Teilnehmer und Gäste machten sich auf den Weg in die Rotunda des United Nations Gebäudes, wo sie ein großer Gospelchor begrüßte um zum ersten Mal in der Geschichte der Veranstaltung die offizielle Hymne der Zero Project Conference live zum Besten gab. In diesem Rahmen wurden auch zwei Medaillen des Friedensnobelpreises ausgestellt, um den Gedanken der UN, eine bessere Welt zu erschaffen, zu signalisieren.

Nach dieser Performance übergab Martin Essl dem United Nations Office in Wien ein Kunstwerk, das seine Unterstützung der Bewegung ausdrücken soll: das “Project Zero Wesen”. Emmerich Weissenberger schuf das Gemälde so, dass es auch Blinde genießen können: Mit einem eingebauten taktilen Board, das die Darstellung auf 7 Relieftafeln greifbar machte.

Zum Abschluss des zweiten Abends wurden 75 innovative Projekte ausgezeichnet. Gratulation an alle Gewinner!

Highlights

Da so viele interessante Sessions gleichzeitig stattfanden, musste man sich immer für eine entscheiden. Auch wenn das nicht immer leicht fiel. Ein bemerkenswertes Projekt aus Paraguay blieb mir besonders im Gedächtnis: Eine Initiative steigerte das Bewusstsein für Barrieren im öffentlichen Raum, indem sie riesige Sticker anbrachte. Das ging so weit, dass die Einwohner nicht mehr auf Entscheidungen der Regierung warten wollten, sondern gleich selbst Rampen bauten oder einfach die unüberwindbaren Stufen hin zu Gehsteigen einrissen, um die Umgebung für alle zugänglicher zu machen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Ein weiteres Highlight war die Verleihung des Zero Project Awards an Yuval Wagner und sein Team von Access Israel, das bereits 1999 eine Initiative gründete um Dienstleister hinsichtlich Barrierefreiheit ausbildet. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass echte Hingabe sich auszahlt und zu einer Veränderung beitragen kann.

Da meine Kindheit geprägt war durch den Gastronomiebetrieb meiner Eltern, war es für mich eine große Ehre, Ewoud Lagring von Visit Flanders zu treffen. Die Tourismusregion Flandern im Norden Belgiens hat eine besondere Vision für barrierefreie Urlaubsdestinationen, die Interessensvertreter aller Geschäftspartner mit ins Boot holt. Im Anschluss daran sah ich mir verschiedene Tourismusregionen und deren Barrierefreiheit an und war erstaunt, wie viel Potenzial in diesem Bereich noch für Verbesserungen der UX von Menschen mit Behinderung vergraben liegt. Aber wir wissen ja ohnehin, dass es noch ein weiter Weg ist, den wir gehen müssen. An dieser Stelle möchte ich die Arbeit von Trivago und Expedia (Online Buchungsplattformen) hervorheben, die es bereits geschafft haben, ihre User Experience und Barrierefreiheit auf ihren Seiten zu verbessern. Wie man sich bestimmt denken kann, ist die Umsetzung nicht immer einfach, wie Ian Devlin, Lead Developer bei Trivago, in einem Blogpost beschreibt. Natürlich ist es aber immer besser, in kleinen Schritten voranzukommen, als immer am gleichen Standpunkt auszuharren. Also weiter so!

Ein internationaler Partner für Inklusion

Die Zero Project Conference ist nicht nur relevant, um Ideen und Erfahrungen auszutauschen, sondern auch um Standards anzupassen. So werden die zeitlichen und arbeitstechnischen Aufwände für überflüssige Aufgaben eingeschränkt und Inklusion schneller erreicht. In Europa gibt es beispielsweise 300 verschiedene Richtlinien und Gesetze, die Barrierefreiheit behandeln. Dieser Umstand erschwert nicht nur die einfache Umsetzung, sondern lässt auch die Organisationen und Unternehmen in Hinblick auf die Rechtssicherheit zweifeln. Deshalb ist es so wichtig, dass Konferenzen abgehalten werden, die sich mit dem Prozess der Veränderung und Innovation befassen und dafür die unterschiedlichsten klugen Köpfe aus der ganzen Welt zusammenbringen.

Während dieser 3 Tage habe ich so viele neue Leute getroffen, aber natürlich auch langjährige Kollegen, Partner und alte Freunde. Alle aufzuzählen würde den Rahmen hier sprengen, aber einige, mit denen ich besonders interessante Gespräche geführt habe und viel Spaß hatte, möchte ich dennoch hervorheben. Dazu gehören Klaus Miesenberger von der JKU, Shadi von W3C WAI, Christine Hemphill von OpenInclusion, Franz Pühretmair & Gerhard Nussbaum von KI-I, Gregor Demblin & Wolfgang Kowatsch von myAbility, Heidi Egger vom Österreichischen Behindertenrat und Victoria Doppler von der Caritas Wien.

Großen Respekt auch an Martin Habacher, der als Social Media Berater für die Konferenz agierte. Er rauschte durch die Hallen, fing die besten Momente ein und führte Interviews mit Vortragenden und dem Organisationsteam. Danke für diesen großartigen Job!

Wir sehen uns nächstes Jahr!

Dieses Jahr ein Teil dieser Bewegung zu sein, freute mich sehr. Ich möchte mich auf diesem Weg auch noch bei Martin Essl und seinem Team in der Zero Project Foundation bedanken, sowie bei allen freiwilligen Helfern, die das Event, den Austausch und die schöne Zeit ermöglicht haben. Ich hoffe, ich werde viele nun bekannte Gesichter auch auf anderen Veranstaltungen auf der ganzen Welt wiedersehen und den Austausch über verschiedene Projekte über das Jahr fortführen, bis wir uns alle nächstes Mal auf der #ZeroCon19 wiedersehen.