Marketing erneuert sich ständig. Viele strategische Ansätze wie Content Marketing, Storytelling, Inbound Marketing oder last but not least das gute alte Social Media Marketing haben sich längst etabliert. Alles ein alter Hut von gestern, State of the-Art und quasi das Einmaleins des Digital Marketings. Die strategischen Ziele und darin implizierten Fragen sind dabei aber immer die gleichen: Wie erreicht man die Menschen, wie erzählt man fesselnde Geschichten mit dem eigenen Produkt, der Marke oder dem eigenen Unternehmen und wie schafft man dies, ohne den fahlen Beigeschmack von ausgeleierten und platten Werbephrasen hinter sich her zu ziehen?

Nach immer höher, weiter und schneller ist es nur menschlich, dass meist die Rückbesinnung folgt. Auf das Ursprüngliche, Traditionelle und Beständige. Im Marketing und der Kommunikation ist das nicht anders. Während es in den letzten zehn Jahren vor allem darum ging, möglichst viel Präsenz zu zeigen und sämtliche zur Verfügung stehenden Kanäle zu nutzen, um den perfekten Cross-Marketing-Mix zu finden, scheint es, als wäre die Zeit der Experimente nun ein wenig vorbei und maßgeschneiderte Lösungen wieder auf dem Vormarsch.

Ein Begriff, der aktuell in diesem Zusammenhang immer stärker in den Fokus rückt ist Slow Marketing. In Zeiten von Lead Generierung, Conversion Optimierung und Sales Funnels zielt Slow Marketing vor allem darauf ab, langsame und sorgfältig ausgewählte Maßnahmen zu setzen, um nachhaltige Erfolge und Dialoge zu forcieren. Und zwar mit genau den Menschen, die es auch wirklich betrifft. Targeting as its best sozusagen. Ohne den Konsumenten dabei die Werbebotschaften mit dem Vorschlaghammer näher zu bringen.

Von Slow Food bis Slow Media

“Slow” bedeutet eigentlich langsam, wird aber auch als Synonym für bewusstes, überlegtes Vorgehen verwendet. Stellt etwa Fast Food die rasche Nahrungsaufnahme in den Vordergrund, so setzt Slow Food auf genussvollen Verzehr, nachhaltige Anbaumethoden, ökologische Landwirtschaft, Regionalität und dem Essen als Erlebnis an sich. Fast Food zielt darauf ab, Essen als Nebenbeschäftigung zu sehen. Es geht um Quantität statt Qualität, permanente Verfügbarkeit und nur eine geringe Beschäftigung mit der Herkunft der Produkte. Slow Food, als Gegenbewegung in den 1980er Jahren entstanden, hingegegen setzt auf Faktoren wie Genuss, Gesundheit, Produktionswissen und eben die Regionalität. Mittlerweile hat sich die Slow-Bewegung auf alle Lebensbereiche ausgedehnt und steht im Gegensatz an die “Geiz ist geil”-Mentalität der 00er-Jahre, die jedem Konsumenten suggeriert hat, dass viel und günstig vereinbar und das zu erstrebende Ziel ist. Auf Kosten jeglicher Produktionsbedingungen und Qualität.

Inhaltliche Relevanz statt Gießkannenprinzip

Bereits 2006 veröffentlichte Todd Sieling das Slow Blog Manifest. 2009, mit dem Aufkommen von Social Media im Mainstream, tauchte auch das erste Mal der Begriff Slow Media auf. Jede Bewegung findet ja bekannterweise rasch seine Gegenbewegung.

! Slow Blogging is the re-establishment of the machine as the agent of human expression, rather than its whip and container. It’s the voluntary halting of the lightspeed hamster wheel dictated in rules of highly effective blogging.

Das bedeutet: Kein reißerisches Clickbaiting, sondern gut recherchierte, auf Fakten basierte Beiträge. Wenn man sich dem Slow Blogging widmet, sollte man darauf achten, lieber wenige fundierte Beiträge zu posten, anstatt täglich einen Beitrag, der so gut wie keine Relevanz hat. Es geht nicht um permanente Sichtbarkeit, sondern gezielte Zielgruppenansprache über ausgewählte Kanäle. Es geht auch nicht darum, immer als Erster über die Ziellinie zu rennen. Tagesaktuelles kann ruhig anderen überlassen werden, lieber werden langfristig relevante Themen behandelt.

Marketing nach dem Gießkannenprinzip war gestern. Das Publikum gehört entsprechend der Interessen und Bedürfnisse betreut, die Prioritäten des Unternehmens gezielt geordnet.

Calm down and relax

Während Werbung und Marketing über weite Strecken mehr oder weniger implizit “kauf mich, kauf mich” rufen, ist eine neue Art der Kundenansprache verstärkt am Vormarsch. Aufmerksamkeit durch Understatement. Leise Töne fallen auf, weil sie anders sind, sich von der Dauerberieselung abheben und mittleweile dem Zeitgeist entsprechen.

Manche Kampagnen erinnern dabei oft ein wenig an die guten alten 1990er Jahre, als im Fernsehen auf Super RTL ab 22 Uhr das Kaminfeuer zu sehen war, oder man mit Space Nights, dem Nachtprogramm der ARD, eine Reise ins Weltall unternehmen konnte. Auf W24 gibt es auch heute noch die Nachtschiene. Aus der Fahrerperspektive fährt man so seelenruhig und total entspannt vor dem Fernseher in unterschiedlichen Straßenbahn- und U-Bahn Linien in Wien mit.

Slow-TV nennt sich das heute, wie Fernsehproduzent Thomas Hellum in seinem TEDx Talk erklärt. Anhand einer zehnminütigen Totalen eines Bauernhofes meint er: „Vielleicht haben Sie mittlerweile die Kuh bemerkt. Jetzt fragen sich irgendwann manche von Ihnen sicher: Ist der Bauer zu Hause? Passt jemand auf die Kuh auf? Wohin geht die Kuh?“ Storytelling im Kopf also. Durch das Nicht- stattfinden jeglicher Handlung baut sich der Betrachter eine eigene Story zusammen.

Genau in dem “Weniger statt mehr” liegt die Faszination. Das britische Unternehmen Roseal, das Farben und Holzbeize produziert, hat sogar ein meditatives Werbevideo bereitgestellt, das nichts anderes zeigt, als einen idyllischen Kleingarten und einen Mann, der seinen Gartenzaun streicht. Der Hashtag #RonsealAdBreak war Ende April dieses Jahres tagelang unter den trending topics auf Twitter, auf YouTube hat das Video mittlerweile 13.000 Views.

Auch das Kickstarter-Projekt Citizen Advertising Takeover Service (CATS) schlägt in diese Kerbe und hat £ 23.000 gesammelt, um eine Londoner U-Bahn-Station mit Katzenbildern anstelle von Werbesujets auszustatten. Gefragt nach den Gründen, gaben sie folgendes als Antwort: “… It would look amazing… and it’s exhausting being asked to buy stuff all the time.”

Fazit: Slow Marketing als der Weisheit letzter Schluss?

Die allgemein gültige Formel lautete lange: Wer laufend aktuellen, wenn auch nicht hochwertigen Content postet, steigert so oder so die Sichtbarkeit. Wer die Content Strategie in Richtung Slow Marketing anpasst, wird kurzfristig mit Einbußen rechnen müssen. Je weniger Content, desto weniger werden die eigenen Postings auch in Social Media für Fans sichtbar. Nun kann man argumentieren, dass es eine einfache Rechnung ist. Aber: Kleine und mittelständische Unternehmen, die aktuell mit Digitalmarketing starten, werden ohnehin nicht umhin kommen, ein Anzeigenbudget einzuplanen, um den Content zu bewerben. Dadurch wird die Sichtbarkeit garantiert und das Prinzip Qualität vor Quantität gelebt. Am Ende des Tages hat Slow Marketing Potenzial. Neu ist es allerdings nicht, knüpft es doch an die drei wichtigsten Prinzipien an, die seit jeher und insbesondere auch seit dem Social Media-Zeitalter gelten: Relevanter Content, relevanter Content, relevanter Content!