Weniger Produktbeschreibung und Werbung, mehr Storytelling. Content Marketing ist mittlerweile das Steckenpferd vieler Unternehmen. Sie bieten lösungsorientierte Inhalte, Hilfestellungen oder einfach Unterhaltung. Menschen lieben immerhin Geschichten und dadurch lassen sich langfristig ein positives und nachhaltiges Markenerlebnis kreieren.

Neuerdings haben auch die Zeitungsmacher diesen Weg der aktiven Partizipation für sich entdeckt. Eigentlich sind wir daran gewöhnt, dass Journalisten Meldungen filtern und selektieren. Durch Soziale Medien wurde die klassische mediale Berichterstattung schon längst durch den so genannten “Mitmach-Journalismus” ergänzt. Jeder kann Inhalte teilen und somit auch Nachrichten erzeugen. Journalisten recherchieren und informieren sich ja auch über Social Media, ein wechselseitiges Verhältnis zwischen Journalist und Leser fand soweit aber kaum statt.

Die Süddeutsche Zeitung ist mit ihrer aktuellen Aktion Die Recherche einen Schritt weitergegangen und bindet die Leser aktiv in den Entstehungsprozess eines Beitrages ein. Leser bestimmen ab sofort, mit welchem Thema sich die Journalisten einen Monat lang befassen, wozu in Zuge dessen recherchiert wird und welche Beiträge schlussendlich erscheinen.

Die Umsetzung

Jeder hat die Möglichkeit, online sein bevorzugtes Thema einzureichen. Unter allen Einsendungen werden im Anschluss drei Themen von der Redaktion ausgewählt (apropos Selektion). Über die Website wird dann der jeweilige Monats-Favorit via Abstimmung ermittelt. Als erstes Thema wurde Steuergerechtigkeit ausgewählt. Dafür haben rund 6.800 Personen oder rund 40% aller Leser abgestimmt.

Das Blog und Social Media

Während des Recherchemonats verschwinden die Journalisten nicht von der Bildfläche, sondern berichten laufend über den aktuellen Status quo der Recherche auf das eigens eingerichtete Rechercheblog, sowie über Facebook und Twitter. Aktuell gibt es zudem einen Aufruf an alle Leser, die als Interviewpartner zur Verfügung stehen möchten. Die Fan- und Followerbasis ist sicherlich noch ausbaufähig. Das kann aber auch damit zusammenhängen, dass die Aktion insgesamt bisher keine großen Wellen geschlagen hat.

Open Journalism ist nicht neu

Open Journalism bezeichnet Crowdsourcing relevanter Inhalte und eine neue Form des Content Marketings, wobei neu hier relativ ist. Erste Versuche von Open Journalism reichen mit TheBlogpaper bereits bis ins Jahr 2009 zurück. Seit April 2013 gibt es eine ähnliche Aktion von The Guardian namens guardian witness, mit dem in Cannes prämierten Werbefilm, den ich euch hier nicht vorenthalten möchte. Die Message: User verändern und bestimmen die mediale Berichterstattung aktiv mit ihren Inhalten.

Guardian witness

Auf der Website oder über die Smartphone App können Fotos, Videos oder Texten geteilt werden, die dann entweder in den Breaking News, auf der Website oder im Printformat erscheinen.

Auch CNN hat mit ireport bereits eine ähnliche Initiative gestartet. Nach der Registrierung auf der Website kann man auch dort seine Story mit der Welt teilen. Die Themen reichen dabei von Eventberichterstattung, der besten Freundin, die 150 Kilo abgenommen hat bis hin zu Berichten von Protesten. CNN macht sich Crowdsourcing zunutze und sucht über die Website nach Augenzeugen zu den Unruhen in Brasilien oder den Protesten in Ägypten.

Was genau ist Open Journalism?

Alan Rusbridger, Journalist bei The Guardin definierte es in zehn Regeln, die in einem interessanten Vortrag von

zusammengefasst wurden, so:

  1. It encourages participation. It invites and / or allows a response
  2. It is not an inert, „us“ or „them“, form of publishing
  3. It encourages others to initiate debate, publish material or make suggestions. We can follow, as well as lead. We can involve others in the pre-publication processes
  4. It helps form communities of joint interest around subjects, issues or individuals
  5. It is open to the web and is part of it. It links to, and collaborates with, other material (including services) on the web
  6. It aggregates and/or curates the work of others
  7. It recognizes that journalists are not the only voices of authority, expertise and interest
  8. It aspires to achieve, and reflect, diversity as well as promoting shared values
  9. It recognizes that publishing can be the beginning of the journalistic process rather than the end
  10. It is transparent and open to challenge – including correction, clarification and addition

… und kann es funktionieren?

Natürlich wurden bereits Stimmen laut, dass Journalisten ihre Arbeit jetzt von jedermann erledigen lassen und wozu man sie dann eigentlich noch benötigt? So richtig neu ist das Konzept des Open Journalism aber dennoch nicht, vielmehr eine zeitgemäße Erweiterung. Für einen umfassend recherchierten Beitrag werden seit jeher Interviewpartner und Experten benötigt. Bereits seit Jahren werden Soziale Netzwerke zur Recherche herangezogen und User und deren Quellen eingebunden, ohne dass sie es vielleicht wirklich bemerken. Und einfacher wird die Recherche vermutlich auch nicht. (So gut wie) jede Quelle muss schließlich überprüft werden.

Mein Fazit: Open Journalismus ist keine Revolution, aber eine sehr gute Ergänzung und anhand der Themen können Interessen und Präferenzen abgeleitet werden, die dann wiederum in die Berichterstattung einfließen und die Inhalte bereit stellen, die wirklich interessieren.

Im Anschluss an diesen Blogbeitrag wurde ein Interview rund um Content Marketing und Open Journalism auf Reportercafe.de veröffentlicht.